Äthiopien: über Land zur Quelle des Blauen Nil
In den frühen Morgenstunden geht es los. Von Addis Abeba nach Norden zur Quelle des Blauen Nil am Tana See. Es ist eisig kalt und dunkel. Gestalten bewegen sich durch die Nacht, schlecht beleuchtete Straßen machen die Orientierung schwer. Menschen tauchen im Scheinwerferlicht auf, Tiere stehen auf den Straßen, Gegenverkehr blendet den Fahrer. An den Straßenrändern immer wieder Wracks von Geländewagen. In Äthiopien herrscht seit Februar 2018 Ausnahmezustand. Junge Menschen aus allen Schichten wollen sich ihre Zukunft nicht mehr verbauen lassen. Die herrschende Klasse wird aufgefordert, die wirtschaftlichen Bedingungen zu verändern, sei es mit Gewalt. Ihnen wird Korruption vorgeworfen, Fälschung von Belegen und Abrechnungen von Entwicklungsgeldern. Bei Streiks geht es nicht gewaltfrei zu. Aufgebrachte Menschen zünden Autos und Häuser von Mitgliedern des regierenden Stammes an. Diese schickt Killerkommandos in die Straßen. An der Strecke durchgefrorene Menschen. Kinder frieren in Schuluniformen oder dünnen Decken auf dem Schulweg, Erwachsenen gehen zur Kirche. Vorher müssen sie Wasser holen. Kinder mit schweren Kanister säumen die Straßen. Manche Wasserstellen sind kilometerweit entfernt. Würde bewahren, auch wenn die Kleidung noch so alt und schlecht ist.
Langsam wird es wärmer. Die Sonne steht höher und die Menschen entspannen sich. Feldarbeit, Teffernte allerorts. Teff ist das wichtigste Getreide und wird zu Fladenbroten verarbeitet. Büffel ziehen ihre Runden durch hoch aufgeschichtetes Stroh und dreschen, Männer und Frauen werfen das Korn hoch, um die Spreu zu trennen. Es riecht nach frischem Getreide, Kuhdung und Schweiß. Die Landschaft ist weit, Hochebene, Hügel, Gebirgsszüge. Aus dem spärlichen Buschwerk lösen sich Menschen, Frauen mit schweren Lasten ab. Holz zum Kochen, für Holzkohle, für die Kaffeezeremonie auf den Schultern. Steile Hänge müssen sie hoch, es sind 30 ° Celsius draußen. Ein paar Jungs sammeln Plastikmüll aus der Landschaft zusammen. Ein Tourist hat ihnen dafür ein wenig Geld versprochen. Uns begegnet ein Radfahrer, ein Weißer mit Mountainbike schieb sich die Straßen hoch.
Der Verkehr stockt, kommt zu Erliegen. 35 ° im Schatten, Paviane beobachten die Straße, halten Abstand. Es sind sehr große Tiere. Langsam bewegen wir uns zu Fuß weiter, es hat einen Unfall gegeben. Ein LKW mit Tankauflieger ist in’s Schleudern gekommen, in eine Felswand gerast, hat sich völlig zerlegt. Neugierige stehen drumherum, es stinkt nach Diesel. Zum Glück rauchen die Äthiopier nicht. Die Regierung hat mal wieder das Internet und das Mobiltelefon abgestellt. Hilfe kann nicht gerufen werden, wie sollte sie auch durchkommen. Selbsthilfe ist angesagt. Alles bleibt ruhig, freundlich, Gespräche, Lachen, neue Bekanntschaften, Spaß, Kinder werden beschenkt, Adressen ausgetauscht, es geht nach 2 Stunden weiter, einer nach dem Anderen. Busse voller junger Menschen Richtung Addis sind unterwegs. Mit ihnen die Hoffnung auf ein besseres Leben.
Die Paviane sitzen im Schatten und chillen, das haben sie wohl auch noch nie erlebt. Langsam wird es eng, wir müssen vor Sonnenuntergang in Bahir Dar sein. Im Dunkeln zu fahren ist Selbstmord. Die Straßen sind schlecht, voller tiefer Schlaglöcher, unbeleuchtet, wie die Fahrzeuge. Pferdekarren tauchen plötzlich im Dunkel auf, Esel- und Rinderherden stehen auf der Straße, Menschen mit Lasten auf dem Kopf wollen nach Hause.
nባሕር ዳር – Bahir Dar, eine Provinzhauptstadt, durchsetzt von Hütten, Betonbauten, Kirchen, inmitten des UNESCO-Biosphärenreservat Tana-See. Die Quelle des Blauen Nil liegt hier und der spirituelle Mittelpunkt orthodoxer Christen mit über 20 Klöstern. Doch das ist eine andere Geschichte.
We set off in the early hours of the morning. From Addis Ababa north to the source of the Blue Nile at Lake Tana. It is freezing cold and dark. Figures move through the night, poorly lit roads make it difficult to find your way. People appear in the headlights, animals stand on the roads, oncoming traffic blinds the driver. Wrecks of off-road vehicles can be seen along the roadsides. Ethiopia has been in a state of emergency since February 2018. Young people from all walks of life no longer want to have their future ruined. The ruling class is being called upon to change the economic conditions, be it by force. They are accused of corruption, falsifying receipts and accounting for development funds. Strikes are not without violence. Enraged people set fire to cars and houses belonging to members of the ruling tribe. The latter sends hit squads into the streets. People freeze to death along the route. Children freeze in school uniforms or thin blankets on their way to school, adults go to church. They have to fetch water first. Children with heavy canisters line the streets. Some water points are miles away. Preserving dignity, no matter how old and bad the clothes are.
It is slowly getting warmer. The sun rises and people relax. Field work, teff harvest everywhere. Teff is the most important grain and is made into flatbread.
Buffaloes make their rounds through piled straw and thresh, men and women throw the grain up to separate the chaff. It smells of fresh grain, cow dung and sweat. The landscape is vast, plateau, hills, mountain ranges. People and women with heavy loads emerge from the sparse bushes. Wood for cooking, for charcoal, for the coffee ceremony on their shoulders. They have to climb steep slopes, it’s 30° Celsius outside. A couple of boys collect plastic waste from the landscape. A tourist has promised them some money for this. We meet a cyclist, a white man on a mountain bike pushing his way up the road.
The traffic comes to a standstill. 35° in the shade, baboons watch the road, keep their distance. They are very large animals. We continue slowly on foot, there has been an accident. A truck with a tanker trailer has skidded, crashed into a rock face and completely disintegrated. Curious people are standing around it, it stinks of diesel. Fortunately, the Ethiopians don’t smoke. The government has once again turned off the internet and cell phones. Help can’t be called, how could it get through? Self-help is the order of the day. Everything remains calm, friendly, conversations, laughter, new acquaintances, fun, children are given presents, addresses are exchanged, we move on after 2 hours, one after the other. Buses full of young people are on their way to Addis.
With them the hope of a better life.
The baboons sit in the shade and chill out – they’ve probably never experienced this before. It’s getting close, we have to be in Bahir Dar before sunset. Driving in the dark is suicide. The roads are bad, full of deep potholes, unlit, like the vehicles. Horse-drawn carts suddenly appear in the dark, herds of donkeys and cattle stand on the road, people with loads on their heads want to go home.
nባሕር ዳር – Bahir Dar, a provincial capital, dotted with huts, concrete buildings and churches, in the middle of the UNESCO Lake Tana Biosphere Reserve. The source of the Blue Nile lies here and is the spiritual center of Orthodox Christians with over 20 monasteries. But that’s another story.